

Segelclub Schwarzindien Mondsee
Segeln am Mondsee
Der Tag war jung und schön wie die frühe Salma Hajek, als der Berichterstatter, Herr Leger, am See eintraf. Gemeinsam mit Herrn Bojen wollte er mit der Phönix die vier Bahnmarkierungs-Tonnen für die diesjährige Sonnwendregatta zu Wasser bringen – doch zunächst einmal: Frühstück. Chefköchin Liberty, Regattachef Lassnig und Bojen saßen bereits am Tisch, als Leger zu Ihnen stieß. Die Sonne schwang sich soeben über Kulmspitze und Mondseeberg in Richtung Himmel. Während man der Eierspeis den Garaus machte, konnte sie sich nur schwer zwischen zartem Altrosa und sattem Dottergelb entscheiden. Die ersten Regattateilnehmer trafen ein. Lassnigs Schwiegersöhne Schneidawind und Krispel hatten ohnehin vor Ort übernachtet und kamen zu dieser sehr frühen Morgenstunde gerade langsam in die Gänge, während das Team Plinke|Ölz das Einfahrtstor des SCS passierte, welches mit lautem Quietschen zur Seite fuhr. Lassnig, Bojen und Leger konnten ihre Enttäuschung kaum verbergen: Nur drei Teilnehmer insgesamt erschienen zur lange angekündigten, traditionellen Sonnwendregatta des Clubs. Team Kubesch hatte am Vorabend abgesagt, weil ein Familienmitglied in Kroatien festsaß. Ein UYC-Mitglied, welches seine Teilnahme fix zugesagt hatte, erschien nicht, und der Nachwuchs von ÖSV-Vizepräsidentin Stückler war nicht aus den Federn der Matratzen des in der Box vertäuten Bootes zu bewegen.
Daher: drei Teilnehmer, Negativrekord.
„Fahren wir trotzdem raus und werfen die Bahnmarken“ ins Wasser, sagte Bojen zu Leger, also stach man auf der Phönix in See.
Mit gekonnten Handgriffen, die er nach Jahren des Bojenlegens wie im Schlaf beherrschte, ließ Bojen die Bojen zu Wasser, während Leger die Phönix mit sicherer Hand über den See dirigierte. Die Sonne stieg und stieg, wurde gleißend, man näherte sich der sechs-Uhr-Marke und damit der Startzeit. Lassnig hatte die Wartenfels an die Startlinie bugsiert, und schließlich gab Enkerl A das Signal, welches ein formidables Tröten war, so wunderschön, gefällig und in die Glieder fahrend als wäre es die Posaunen von Jericho.
Der Start verlief reibungslos. Plinke|Ölz kamen sofort in Fahrt, während Scheidawind|Krispel noch ein wenig mit Wenden, Halsen, Fock, Großsegel und dem ganzen Zeug zu kämpfen hatten. Das Team Zauner, das lediglich aus Zauner bestand und dem ein Sonderstart hinter dem Guglhupf genehmigt worden war, segelte bereits den See herauf zur nordwestlichen Wendeboje. Der Wind durchkräuselte das Wasser mit sanfter Zärtlichkeit, es ließ sich gut vorankommen. Lassnig und Bojen, die beide die vorangegangene Nacht mit der Evakuierung einer Grappa-Flasche (Details waren im Nachhinein nicht mehr herauszufinden) verbracht hatten, entschlossen sich jeweils zu einem Nickerchen. Leger schleppte die ÖSV-Vizepräsidentin ab – nämlich per Phönix mit ihrer Skeeta in Richtung Guglhupf, wo sie abseits der Regatta Segel zu setzen sowie zu foilen beabsichtigte. Mehr Aufregung gab es während der ersten Hälfte des Regattatages nicht. Leger begann, sich zu fadisieren und darüber nachzudenken, wie er über diese Ereignislosigkeit denn jemals einen auch nur halbwegs unterhaltsamen Bericht Bericht schreiben sollte. Er fand keine Lösung und tippte Nonsens vor sich hin.
Das Clubgelände füllte sich, Bojen startete mit Libertys Unterstützung versiert mittägliche Grillbemühungen, welche in saftige Koteletts, balkanische Cevapcici, Bratwürstel und mit Curry bestreute Hühnchen-Spieße mündeten. Fangruppen strömten am Nachmittag sonder Zahl in den Club und kümmerten sich – weil die Regatta außer Sicht hinter dem Guglhupf ihr Unwesen trieb – um Mittagessen, Badefreuden und das Okkupieren von Schattenplätzen für Liegstühle und Luftmatratzen. Oder so. Das Regattageschehen wurde im wahrsten Sinne des Wortes teilnahmslos verfolgt, also: gar nicht. Leger unternahm mit Lassnigs Enkelsohn A eine Kontrollfahrt hinaus auf den See, um die drei Teilnehmer zu fragen, ob eh alles okay sei. Ergebnis: Eh alles okay. Gelangweilt machte sich Leger danach auf den Weg zu Bojen, um ein frisch gegrilltes Kotelett auszufassen.
Dann kam mehr Wind auf, das Rennen gewann an Dramatik. Die Drachenwind mit Schneidawind an der Pinne nahm Fahrt auf, das grüne Monster durchschnitt schneidig den Wind („Nomen est Omen“, sollte Steuermann Schneidawind später sagen), matchte sich mit der Sun Odyssey von Plinke und Ölz sowie der Beneteau von Zauner. Lassnig und Enkel A, welcher sich noch mit einem überdimensionalen Stück Karottenkuchen gestärkt hatte, begaben sich auf die Wartenfels, um ihre Zieldurchfahrtsbereitschaft in Bereitschaft zu versetzen. Bojen hatte sich bereits zu einer Samstagabend-Sommerparty verabschiedet, also dachte Leger darüber nach, wen er zum Einsammeln der Bojen rekrutieren könnte, einen Bojen II sozusagen. Ihm fiel niemand ein. Dafür sollte dem Mann noch eine große Herausforderung bevorstehen.
Nachdem er nämlich keinen zweiten Bojen gefunden und die Anstrengungen der Bojen-Hebung ohne Bojen in Angriff genommen hatte und die Befreiung der Plomberg-Boje mit ihrem 15-Kilo-Anker aus dem dunklen Wassergrab am Seegrund unter Aufbietung übermenschlicher Kräfte und Einsatz seines ebenso übermenschlichen Bäuchleins als Gegengewicht gemeistert hatte, dirigierte er die Phönix in Richtung rote Boje auf Höhe Hammerlmühle. Mit unnachahmlicher Eleganz bediente Leger das Steuer des Schlauchis, welches sich ebenso leichtgängig mit zwei Fingern bewegen ließ wie die neue Fock am Grünen Monster von Schneidawind und Krispel (Insider-schmäh, Details nachzufragen bei Rennchef Lassnig). Leger war zuversichtlich, seinen letzten Job des Tages problemlos absolvieren zu können. Dann aber plötzlich Rätsel und Überraschung: Wie eine Feder, viel zu leicht jedenfalls, ließ sich die rote Boje aus dem Wasser holen und Leger begann, an sich und der Wahrnehmung der Realität zu zweifeln.
„Ja, spinn ich?“, fragte sich der zum Heber mutierte Leger und murmelte in die ihn umgebende Mondseeluft:
„Wasisndalos, warumgehtndes Graffl auf oamol so leicht auffa“?
Des Rätsels Lösung: Der Anker, an den die Boje nach wie vor gebunden hätte sein sollen und den Bojen am frühen Morgen so sicher und gekonnt an die Leine geknüpft hatte, war: verschwunden. Weg. Diffundiert ins Nirwana. Dort, wo er hängen hätte sollen, baumelte lediglich ein funktionsloser Schäkel verträumt vor sich hin.
„Skandal, Diebstahl, Raub, Polizei, holt die Wasserrettung, die Feuerwehr, den Bürgermeister, James Bond!“, entfuhr es Leger, aber da niemand in der Nähe war, hörte ihn auch niemand.
Bond hätte sich ohnehin bereits im Ruhestand befunden. Desperat verstaute Leger die ankerlose Boje, fuhr heimwärts und zitterte vor dem Rapport, welchen er gleich Regattachef Lassnig zu erstatten haben würde. Doch dieser zeigte sich generös, vermutete einen diebischen Fischer oder gar den Scherz eines Außenstehenden hinter dem Ankerschwund und beruhigte Leger mit den Worten:
„Trinkst halt einfach ein Bier. Oder einen Grappa.“
Erleichtert tat Leger wie geheißen und konsumierte, weil er sich nicht entscheiden konnte, zur Sicherheit beides.
Und so verabschiedete sich der Regattatag friedlich in die ewigen Jagdgründe. Während der vergangenen zwölf Stunden hatte er Falten bekommen und sah an seinem Ende nicht mehr aus wie die junge, sondern wie die heutige Salma Hajek: überwutzelt, aber immer noch gut. Die Sonne changierte ins Purpurrote und versank in der Finsternis, alle waren zufrieden. Der See wurde ruhig und begann, die Drachenwand durch das Lampenlicht des aufziehenden Mondes, das kein Ding bloßstellt aber alle richtig einordnet, zum Hilfberg hinüber zu spiegeln. Zauner, welcher die Regatta auf seiner Beneteau klar gewonnen hatte, segelte als zufriedener Sieger nach Hause hinter den Guglhupf. Das grüne Monster, die Drachenwind, dümpelte gut am Steg vertäut vor sich hin. Plinkes Sun Odyssey, die Merlin, machte sich in ihrer angestammten Koje draußen außen bereit für die Nacht. Plinke und Ölz hatten die Siegerehrung als Zweite über sich ergehen lassen und Krispel sowie Schneidawind freuten sich immer noch, wie cool sie ihr Schiff durch den Wind getrieben hatten.
Trotz geringer Teilnehmerzahl war es ein guter Tag gewesen. Während sich Bojen auf erwähntem Sommerfest vergnügte, fuhr Leger müde und um einen Anker ärmer nach Hause auf den Hilfberg, bereitete das Abendfressen für Clubkater Schrödinger und dessen Gefährtin Lini zu. Dann fiel er ins Bett wie am Morgen der 15-Kilo-Anker der Plomberg-Boje auf den Seegrund gefallen war. Während des Einschlafens durchdachte er noch einmal das Rätsel des verschwundenen Ankers der Hammerlmühlen-Boje.
„Das muss wohl ungelöst bleiben“, murmelte Herr Leger und fiel mit dem Gedanken an Salma Hayek (die junge Version) in einen Schlummer, der tiefer als der Mondsee an seiner tiefsten Stelle war. +++